Die Freie Radio-Szene feiert. Obwohl es zur Zeit nicht nur Anlässe zur Freude gibt. Zwar senden derzeit 14 freie Radiostationen 7 Tage die Woche 24 Stunden lang selbst gestaltetes Programm und engagieren sich mehr als 2.500 Menschen ehrenamtlich in freien Radios, alleine die finanzielle Ausstattung des nichtkommerziellen Rundfunks hinkt der Bedeutung im österreichischen Mediensystem noch stark hinterher. Nun fordern die “Freien” ihren Teil vom Kuchen.
Gefeiert wird aber auch mit den Krümeln, die derzeit für die „Freien“ abfallen. Denn die ersten Freien Radios gingen vor 15 Jahren erstmals (legal) auf Sendung. Den Jubiläumsreigen eröffnet hat letztes Wochenende Radio Orange in Wien mit einem großen Open-Air und 24 Stunden Sonderprogramm.
1998 gingen die ersten Freien Radios legal On Air. Sieht man sich ihre Geschichte an, muss man aber bis in die erste Republik zurückgehen. Schon damals gab es PiratInnenradios des Sozialdemokratischen Freien Radiobundes. Doch Österreich war nie ein Land, das Meinungsvielfalt aktiv gefördert hat. Das Recht legal zu senden musste hart erkämpft werden. Erst nach Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte fiel 1993 das Rundfunkmonopol. Somit war Österreich das letzte Land in Europa, das privat-kommerzielle und nichtkommerzielle Radios zuließ. Doch es benötigte eines weiteren Einspruchs, dieses Mal beim österreichischen Verfassungsgerichtshof, bis im Zuge der Novellierung des Regionalradiogesetzes 1997 auch erste Lizenzen an nichtkommerzielle Radios vergeben wurden.
Seither wächst die österreichische nichtkommerzielle Rundfunkszene unaufhörlich. Mittlerweile gibt es neben 14 Freien Radios auch drei Community Fernsehen in Österreich. Über 4 Millionen Menschen in Österreich können Freie Radios empfangen. Mehr als 2.500 aktive RadiomacherInnen gestalten regelmäßig Sendungen in über 25 Sprachen. “Freie Radios sind gelebte BürgerInnenbeteiligung. Sie sind nicht nur Informationsmedien, sondern vor allem Kommunikationsmedien, die Diskussionsräume eröffnen und Identität stiften”, betont Andreas Wahl, Obmann des Verbands der Freien Radios Österreich. Denn Nichtkommerzielle Medien tragen als freie Artikulationsmedien aktiv zum Erhalt der kleinräumigen, kulturellen Identität Österreichs bei – abseits vom Markt tauglichen Mainstream.
Doch der Kampf der RadioaktivistInnen, der in den 70er Jahren begann, war mit der Legalisierung Ende der 90er Jahre nicht beendet. Die bewusste Entscheidung, Sendungen im Offenen Zugang zu produzieren, ein nichtkommerzielles Programm zu senden und Meinungsvielfalt somit nicht der Logik des Marktes zu überlassen, führte zur Notwendigkeit der öffentlichen Subventionierung. Nachdem jegliche Bundesförderungen unter Schwarz-Blau eingefroren wurden, wurde 2009 ein Nichtkommerzieller Rundfunkfonds (NKRF) sowie ein Privatradiofonds eingerichtet. Doch die Dotierung des NKRF mit 3 Millionen € greift zu kurz und stellt die Freien Medien 15 Jahre nach ihrer Legalisierung erneut vor finanzielle Schwierigkeiten.
Obwohl sich Österreich im Privatradiogesetz zur Weiterentwicklung des dualen Rundfunksystems verpflichtet hat, hinkt die derzeitige Verteilungspolitik diesem Bekenntnis hinterher. Setzt man das Budget des NKRF in Relation zu den Transaktionskosten, die die GIS im Zuge des ORF-Gesetzes bei den BürgerInnen einhebt, dann kamen 2012 nur 0,3% dieser Einnahmen dem nichtkommerziellen Sektor zu Gute. “Die derzeitige Höhe der vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel steht in keiner Relation zum Stellenwert des 3. Rundfunksektors“, kritisiert Andreas Wahl die derzeitige Verteilung der finanziellen Mittel. Denn mediale Öffentlichkeit im 21. Jahrhundert soll nicht passiv informieren, sondern wird aktiv von zivilgesellschaftlichen AkteurInnen gestaltet. Die österreichische Medienlandschaft ist mit einer zunehmenden Medienkonzentration und einer abnehmenden Meinungsvielfalt konfrontiert, die der kommerzielle Mediensektor nicht auszugleichen vermag. Der nichtkommerzielle Rundfunk fungiert als Komplementärmedium, räumt medial marginalisierten Gruppen und Meinungen Platz ein und eröffnet regionale und lokale Diskussionsräume.
“Die letzten 15 Jahre haben gezeigt, dass das Bedürfnis nach freier Meinungsäußerung trotz der vielbeschworenen Politik- und Demokratieverdrossenheit ungebrochen hoch ist. Immer mehr Menschen produzieren ehrenamtlich Sendungen, um ihre Themen und Anliegen in eine breitere Öffentlichkeit zu bringen und über lokale Ereignisse zu berichten”, schildert Andreas Wahl und sieht daher die Politik gefordert, diese Meinungsvielfalt in Österreich in ausreichendem Maß zu fördern.
Mit einer Aufstockung des Nichtkommerzielle Rundfunkfonds, wie sie vom Verband der Freien Radios Österreich und dem Verband Community Fernsehen Österreich gefordert wird, würde Österreich auch den Empfehlungen des Europäischen Parlaments, des Europarates, der Vereinten Nationen und der OSZE nachkommen, die Community Medien eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung von Medienvielfalt und sozialem Zusammenhalt zuweisen. Freie Medien sind die Antwort der Zivilgesellschaft auf die fortschreitende Kommerzialisierung der Medienlandschaft, die immer stärker die Meinungsvielfalt zugunsten des Mainstreams zurückstellt. Meinungsvielfalt darf nicht dem Markt überlassen werden. In demokratischen Gesellschaften ist es Aufgabe des Staates, Meinungs- und Medienvielfalt zu gewährleisten.
Dieser Verantwortung muss die österreichische Politik nachkommen.
Rückfragehinweis:
Andreas Wahl Geschäftsführer Radio FRO Linz & Obmann des VFRÖ
Tel: +43 (0)660 7172771
mail: andreas.wahl@fro.at
Otto Tremetzberger Geschäftsführer dorfTV Linz & Obmann des VCFÖ
Tel: +43 (0)664 9201325
mail: otto.tremetzberger@dorftv.at