Mein Opa hat mir das Interesse für Geschichte beigebracht. Der Mann ist als Kind vor dem Krieg geflohen. Das Haus in Lübeck ausgebombt und ausgebrannt.
Als mein Opa sich noch besser an Sachen erinnern konnte und nicht alles durcheinander gebracht hat, hat er mir viel davon offenbart. Als ich so ungefähr acht war, hat er mir erzählt, wie das war, als das Haus ausgebombt wurde: Mitten in der Nacht sind Bomben gefallen. Brandbomben. Sie haben sie Tannenbäume genannt, weil sie in der Dunkelheit leuchten und wenn sie landen, brennt alles nieder, was in ihrer Nähe ist. Auf jeden Fall ist so eine Bombe gefallen, irgendwo in der Nähe. Mein Opa und sein Bruder waren damals vier Jahre alt und haben im Bett gelegen. Fenster sind geborsten und überall lagen Scherben. Und dann sind sie in den Keller gerannt, kleine Kinder mit kleinen weichen Kinderfüßen, die über Scherben in den Keller rennen. Wahrscheinlich weinend und schreiend, aber sich selber, den Bruder und die Mutter nicht hörend, weil die Druckwelle das Trommelfell eingedrückt hat.
Mein Opa hat mir diese Geschichte oft erzählt. Und wenn ich an diese Geschichte denke, dann fühlt es sich manchmal so an, als wäre es auch meine Geschichte. Es kommt mir so lebendig vor, als wäre ich dabei gewesen am 29. März 1942. Als wären das meine kleinen Füße gewesen und ich hätte geweint und niemand, nicht mal ich hätte mich gehört.
von Paulo Jamil Sieweck
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